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Eine Polizei demokratisiert sich selbst
Diskussionskommando Berlin
Zivilstreifen
Im Rahmen der Einsatzerpro-
bung fuhren wir Zivilstreifen
gegen die stark zunehmende
Einbruchskriminalität und all-
gemeine Unsicherheit auf Park-
plätzen. Wir orientierten uns
an den Lageberichten der Kri-
po und waren dadurch immer
an den Schwerpunkten. Dazu
kam die Erfahrung der einzel-
nen Beamten, die "ihren Kietz"
kannten.
In der Schloßstraße in Steglitz wurden vermehrt die Schaufen-
sterscheiben eingeschlagen und die Auslagen wahllos abge-
räumt. Durch den Einsatz von drei Streifen gleichzeitig, nur für
diesen kleinen Bereich, konnten durch Aufklärung in den
Seitenstraßen und den schnellen Zugriff die Einbruchsserien
gestoppt werden. Unsere Anwesenheit sprach sich in den ent-
sprechenden Kreisen schnell herum und zeigte nachhaltig Wir-
kung.
Autodiebstähle und Diebstähle aus Autos auf dunklen Park-
plätzen konnten durch Festnahmen auf frischer Tat aufgeklärt
aber auch verhindert werden. Die Erfolgserlebnisse, die wir bei
diesen nächtlichen Einsätzen hatten, kompensierten ein wenig
den Frust, der auf anderen Gebieten entstand. Die Ursachen
für unseren Erfolg lagen auf der Hand: wir waren an keine
Revier- oder Direktionsgrenzen gebunden. Zeigte sich wärend
der Nacht ein ganz anderer Schwerpunkt, wechselten wir un-
bürokratisch und schnell unsere Einsatzorte. Wir brauchten
dafür keine Anordnung oder Erlaubnis. Unsere Fahrzeuge wa-
ren über einen eigenen Funkkreis miteinander verbunden. Es
ging keine Zeit bei der Kommunikation verloren.
Entscheidungen konnten schnell getroffen werden, da es
keine Kompetenzprobleme gab. Die Einsatzdurchführung
und die Einsatzorte wurden ausschließlich von uns festge-
legt und ausgesucht. Flexibilität auf ganzer Ebene war der
entscheidende Faktor für eine erfolgreiche Arbeit.
Die zivile Aufklärung bei Veranstaltungen war dann nicht
ganz so positiv. Die Fahrzeuge waren z. T. mit Kennzeichen
bekannt. Aus großer Entfernung war schon die lange Funk-
antenne zu sehen. Selbst bei schlimmstem Dreck- und
Schmuddelwetter waren die Dienstfahrzeuge frisch ge-
waschen und auf Hochglanz poliert. Da es nicht unsere
Fahrzeuge waren, konnten wir dagegen leider nichts tun.
Selbst bei Abgabe der Autos morgens um vier Uhr, war die
erste feindselige Frage des Wachthabenden: "Haste det
Auto jewaschen?".
Bei Großveranstaltungen mit gewaltbereiten Besuchern war
das Konzept nicht durchführbar. Um sinnvolle Aufklärung zu
betreiben mußten wir dicht an den Veranstaltungsort, d. h.
vorher durch gewalttätige Besucher. Spätestens beim
dritten Anlauf wurden die Zivilwagen schon erwartet. An
der Deutschlandhalle wurde dabei eine Vierkant-Holzbohle
durch die Windschutzscheibe gerammt und verletzte den
Beifahrer erheblich am Kopf. Wir konnten im letzten
Moment aus der Menge abdrehen. Der verletzte Kollege
wurde erst nach meiner massiven Beschwerde in der
Unfallstation der Uniklinik Charlottenburg an seiner
blutenden Kopfverletzung behandelt. Zu damaliger Zeit
kein Einzelfall, dass erst die durch Räumaktionen der Poli-
zei verletzten Personen behandelt wurden. Man verhielt
sich eben solidarisch.